Main-Echo vom 17.10.2006

Ohne Herdfeuerstelle keine Hochzeit


Eine alte Spanschachtel mit Dokumenten aus den vergangenen 200 Jahren erzählt, wie das Leben früher war

Bischbrunn. Eine alte Spanschachtel halten die Eheleute Richard und Anna Krebs in der Hand. Diese Schachtel hat es in sich. Sie enthält hunderte von Dokumenten aus den vergangenen 200 Jahren und hat daher einen großen Wert für die eigene Familiengeschichte und für die Dorfgeschichte von Bischbrunn und von Oberndorf.

In dieser Schachtel befinden sich viele Heiratsverträge. Beim Durchlesen stellt man fest, dass das Heiraten früher viel komplizierter war als heute. Zuerst musste das Brautpaar zum Königlich Bayerischen Amtsgericht. Dieses war zuerst in Rothenbuch, später in Stadtprozelten. Hier wurde dann gewissenhaft niedergeschrieben, was jeder Partner mit in die Ehe brachte. Zuletzt wurden die Geldwertbeträge zusammengezählt und erstaunlicherweise waren sie bei beiden gleich groß. Arme und reiche Leute heirateten früher selten untereinander.

Wohnortwechsel nur auf Antrag

Auch die Erbfolge wurde vor der Hochzeit festgelegt. Die Kinder waren natürlich zuerst erbberechtigt. Aber wenn eine Ehe kinderlos blieb, dann fiel der Vermögensanteil wieder an die jeweilige Verwandtschaft zurück. Selbstverständlich hatte der Ehevertrag nur dann Gültigkeit, wenn die kirchliche Trauung vollzogen war. Bevor man überhaupt beim Notar erscheinen konnte, war folgendes zu beachten: Das Brautpaar musste eine Wohnung, aber mindestens eine Herdfeuerstelle nachweisen.

Wenn ein Ehepartner den Wohnort wechseln wollte, zum Beispiel von Oberndorf nach Bischbrunn, dann musste man einen Antrag an den Gemeinderat stellen. Dieser konnte das Gesuch befürworten oder auch ablehnen. Die Absicht der Gemeinde war, keine Bürger aufzunehmen, die irgendwann einmal der Armenkasse zur Last fallen könnten.

Vermögen aufgeteilt und verlost

Neben den Heiratsurkunden finden sich in der Schachtel viele Erbteilszettel. Im Spessart galt das Kurmainzer Landrecht, das heißt: das Vermögen wurde zu gleichen Teilen an die Kinder aufgeteilt. Zu diesem Zweck holte man einen Fachmann. Dieser teilte das vorhandene Vermögen in gleiche Teile auf. Die Losnummern kamen in einen Topf und wurden von den Kindern ausgelost. Wer das Haus besaß und die Eltern übernehmen musste, bekam zu Lebzeiten den »Auszug«. Die anderen Kinder mussten bis zum Ableben der Eltern auf die Nutzung von bestimmten Grundstücken verzichten.

Vermögend scheinen sie gewesen zu sein, die Vorfahren der Familien Krebs und Maier. Leider besaßen sie aber nur wenig bares Geld. So finden wir in der Schachtel eine Unmenge von Schuldscheinen, zum Beispiel 20 Gulden geliehen, Rückzahlung vierteljährlich zu 5 Gulden. Damit die Zinsen auch richtig berechnet werden konnten, liegen die entsprechenden Zinstabellen bei.

Für größere Beträge musste man sich an die Geldverleiher in Karbach wenden. Diese vergaben großzügige Kredite, sie hielten sich aber genau an die geschlossenen Verträge. Wer nicht zurückzahlen wollte oder konnte, dem wurde gepfändet oder letztendlich gar Haus und Hof versteigert.

Ein Vorfahre der Familie Krebs ist nach Amerika ausgewandert. Aber was der schreibt, das klingt gar nicht zufrieden. Keine Religion hätten die Leute hier. Schon am hellen Tag werde man überfallen und nicht einmal in der Eisenbahn sei man sicher. Sogar Soldaten müssten ausrücken, um für Ruhe und Ordnung zu sorgen.

Auch Feuerversicherungen finden sich in der Schachtel. Darin sind die Bauweisen der versicherten Gebäude beschrieben. Meist heißt es: Fachwerkbauweise mit Lehmfüllung. Dies erhöhte den Versicherungsbeitrag. Ein Gutes bewirkte die Einführung der Brandversicherung in der Gemeinde: Die Strohdächer verschwanden und die Leute wurden angehalten, ihre Häuser mit Ziegeln zu decken.

Handgeschriebene Gebete

Kopiergeräte gab es in der damaligen Zeit noch nicht. Wenn also der Pfarrer ein besonderes Gebet empfahl, das bei Mutter und Großmutter Gefallen fand, so blieb nichts anderes übrig als dieses abzuschreiben. So findet sich in der Spanschachtel eine ganze Reihe von handgeschriebenen Gebeten für besondere Anlässe zu Ehren der Mutter Gottes und des Allerheiligsten Altarsakraments.

Auch Kurioses kann der Inhalt der Spanschachtel berichten. Ein Vorfahre wird öffentlich gerügt, weil er seine Gemeindeabgaben in Höhe von zwei Mark nicht beglichen hat. Als Mahngebühr hat er eine Summe von 20 Pfennigen zu zahlen. Ein anderer Vorfahre streitet sich lange mit einer Versicherung. Eine Kuh hat er verliehen und nun geht es darum, die »Wertminderung« dieser Leihkuh feststellen zu lassen. Er bekommt Recht. Die Versicherung erklärt sich bereit, den »Schaden« zu übernehmen.

Aus einem Schriftstück geht hervor, dass die Vorfahren der Frau Krebs »Am anderen Törle« wohnten. Der Hausnahme »Anatörles« hat sich bis heute erhalten. Dies bedeutet aber nicht mehr und nicht weniger, als dass der Ort Bischbrunn früher von einem Zaun umgeben war, der mehrere Durchgänge hatte.

Schrift schwer zu lesen

Um den vollständigen Inhalt der Spanschachtel auszuwerten, wird die Familie Krebs noch Jahre brauche. Erschwerend kommt hinzu, dass diese Dokumente in der so genannten deutschen Schrift niedergeschrieben wurden. Die ältere Generation hat diese Schrift noch in der Schule gelernt, heute sucht man vergeblich danach in den Lehrplänen. Die jungen Leute müssten sich dieses Wissen mühsam aneignen.

Spanschachteln mit Inhalt gibt es in den Grundgemeinden noch eine ganze Menge und die Dokumente warten nur darauf, spannende Geschichten von früher zu erzählen.
Arnold Väth