Main-Echo vom 1. September 2009

Klage über Abfluss der Kaufkraft

Landesentwicklung Für den Bischbrunner Bürgermeister Richard Krebs eine "Farce"



Main-Spessart   "Das Ganze ist eine Farce!" macht der Bischbrunner Bürgermeister Richard Krebs seinem Unmut Luft. In einem Schreiben an die Industrie- und Handelskammer (IHK) Würzburg beklagt er den Kaufkraftabfluss vom Land durch "riesige Einkaufszentren". Zum Anlass für seine Breitseite nimmt Krebs eine Umfrage der IHK bei den Gemeinden zu Erfahrungen im Hinblick auf die Fortschreibung des Landesentwicklungsprogramms (LEP).

Demnach ziehen Oberzentren Kaufkraft von den Mittel- und Kleinzentren sowie den Dörfern ab. Zugleich werde in Mittelzentren wie Marktheidenfeld gerade im Lebensmittel-Einzelhandel weit über den Bedarf hinaus gebaut. Dies führe dazu, dass "auch der letzte Tante-Emma-Laden auf dem Dorf vollends dicht gemacht" werde. Zugleich gebe es in Bettingen praktisch vor der Haustüre ein Factory Outlet Center.

"Der Konkurrenzdruck wird so groß, dass manche Geschäfte schließen müssen. Die Beschäftigten sind die Leidtragenden. Was ist damit gewonnen?" fragt Krebs. Folge: der junge, flexible Kunde profitiere von günstigen Preisen, "auf der Strecke bleiben ältere Menschen, denen keine Einkaufsmöglichkeiten mehr vor Ort geboten werden".

Das LEP solle zwar gleichwertige Lebensbedingungen in Bayern schaffen, doch in der Praxis werde immer mehr Kaufkraft durch große Märkte zentralisiert. "Die Folgen merken viele erst, wenn sie selbst betroffen sind und es zu spät ist". Der Bischbrunner Bürgermeister hat das Schreiben auch an die örtlichen Abgeordneten und den Gemeindetag gerichtet.

Felbinger: Maßnahmen verschleppt In einer Reaktion erklärt der Landtagsabgeordnete Günther Felbinger (Freie Wähler, Gemünden), gerade die CSU habe es versäumt hier für eine Fortschreibung im Sinn der kleinen Gemeinden einzutreten. Von Seiten des bayerischen Wirtschaftsministeriums fehle seit Dezember 2008 noch der Landesentwicklungsbericht.

Die CSU/FDP-Koalition verschleppe hier dringend nötige Maßnahmen, meint Felbinger. Die Schließung von Schulen und die Ansiedelung von Einkaufszentren im Gürtel der Großstädte seien für die kleinen Gemeinden ein ernstzunehmendes infrastrukturelles und soziales Problem.

Tolle: Ruinöser Wettbewerb Die grüne Landtagsabgeordnete Simone Tolle (Arnstein) kommentiert: "Die Einsichten von Richard Krebs kommen spät, aber immerhin hat auch er nun verstanden, dass riesige Einkaufszentren Kaufkraft aus dem ländlichen Raum abziehen". Die Staatsregierung sei gerade dabei, das Landesentwicklungsprogramm zu ändern und damit die Ansiedlung von Einzelhandelsgroßprojekten weiter aufzuweichen.

Sie teile sämtliche Kritikpunkte von Krebs, so Tolle, zudem werde mit immer mehr Einkaufszentren auf der grünen Wiese der Flächenverbrauch weiter angeheizt: "Was das Innenministerium und der unterfränkische Staatssekretär Bernd Weiß als mehr Freiheit für die Kommunen verkaufen, schürt nur den ruinösen Wettbewerb unter den Gemeinden". In letzter Konsequenz gingen damit Arbeits- und Ausbildungsplätze in den Ortskernen verloren und es werde die Nahversorgung für jene gefährdet, die kein Auto haben.   red