Eine unglaubliche Geschichte Richard Krebs. Es dauert etwa fünf Sekunden, bis der Mann in Amerika die Buchstaben in die Tastatur gehauen hat, auf Enter drückt und die Suchmaschine Google in Gang setzt. Vielleicht hat die Suche den Amerikaner zunächst zu dem Hamburger Leichtathleten namens Richard Krebs geführt, der bei den Olympischen Sommerspielen 1928 in Amsterdam eine Silbermedaille gewann. Doch was der Amerikaner sieht, als er die Homepage des Bischbrunner Bürgermeisters Richard Krebs aus Deutschland öffnet, haut ihn von den Socken: Er findet sich selbst.
Ungewöhnliche Ähnlichkeit
Kurze Zeit später erhält Richard Krebs in der höchsten Grundgemeinde des Spessarts Post aus Amerika. Komisch, als Absender steht sein eigener Name auf dem Brief. Als er die Post öffnet, ist auch der Bürgermeister mehr als erstaunt: Zuerst fallen ihm die Fotos in die Hand und der Mann darauf sieht aus wie er selbst. Dann liest der Bürgermeister den Brief.
Das war im Oktober 2010. Aus reiner Neugier hatte Richard T. Krebs aus Pennsylvania im Internet nach seinem eigenen Namen gesucht. Dass seine Vorfahren aus dem fernen Deutschland kamen, wusste er. Aber jetzt, da sein jüngstes Enkelkind geboren war, hatte er sich vorgenommen, etwas Ahnenforschung zu betreiben, um seinem Enkel später die Familiengeschichte zu hinterlassen. Dass er dabei auf seinen eigenen Doppelgänger stoßen würde, ahnte er nicht.
Richard Krebs aus Bischbrunn musste sich erst einmal setzen, als er den Brief aus Amerika wieder und wieder studierte. Der Mann, der ihn geschickt hatte, sah nicht nur aus wie er selbst, er hieß auch so und war fast gleich alt. Der fremde Zwilling schrieb von »interessanten Tatsachen« und dass er sich sicher sei, dass sie beide verwandt sein müssten. Anders lasse sich diese ungewöhnliche Ähnlichkeit nicht erklären.
Empfang organisieren
Inzwischen sind eineinhalb Jahre vergangen. Richard und Richard sind gute Freunde geworden. Sie schreiben sich, sie telefonieren und sie skypen im Internet. Die deutsche Tochter Stefanie und eine amerikanische Freundin helfen beim Übersetzen. Sie haben sich vieles über ihre Familien erzählt. Das amerikanische Paar hat zwei Söhne. Die Bischbrunner Krebs haben drei Töchter. Und es gibt noch mehr Gemeinsamkeiten: »Er scheint auch kein Kind von Traurigkeit zu sein«, sagt Richard Krebs und freut sich, dass sein amerikanische Double seinen Humor teilt.
Aber jetzt sind es die beiden Richards leid, ihren Doppelgänger nur übers Internet zu sehen. Im Juni werden sie sich Auge in Auge gegenüberstehen. Dann besucht Richard T. Krebs die Spessartgemeinde. »Meine größte Sorge ist im Moment die Frage, ob ich einen Empfang für fünf oder 500 Leute organisieren soll«, sagt Bischbrunns Bürgermeister Richard Krebs. Wahrscheinlich werden es doch ein paar mehr als fünf, denn diese Geschichte lässt keinen kalt. In Amerika berichten bereits Zeitungen über Richard und Richard, Fernsehstationen haben ihr Interesse bekundet und in den Spessarter Grundgemeinden hat die Nachricht längst die Runde gemacht.
Gemeinsam mit seiner Frau Kathleen wird Richard T. Krebs am 2. Juni in Bischbrunn erwartet. Im Mai feiert das Paar seinen Hochzeitstag - wie übrigens auch Richard Krebs und seine Frau Anna aus Bischbrunn. Bevor sie nach Deutschland aufbrechen, werden die beiden eine Kreuzfahrt durch die Karibik unternehmen. »Wir sind schon sehr aufgeregt, schließlich waren wir seit unserer Hochzeit vor mehr als 40 Jahren nicht mehr dort«, schreibt Richard T. Krebs in einem Brief. Deutschland wird das Paar zum ersten Mal besuchen.
Spurensuche in Deutschland
Viele Jahre hatte der Amerikaner eine gute Anstellung in einer Telekommunikationsfirma. Jetzt im Ruhestand arbeitet er als Sachverwalter am Keystone College in La Plume, Pennsylvania. Seine Frau Kathleen ist Lehrerin. Auch ihre Vorfahren stammen aus Deutschland. Bei ihrer »Ahnentour« im Juni wollen die beiden Amerikaner deswegen auf Spurensuche gehen. Rosenberg bei Ellwangen wollen sie besuchen, Aschaffenburg, Weibersbrunn, Mespelbrunn und natürlich München. Dass touristische Pflichtprogramm soll aber nicht im Vordergrund stehen, sondern die Suche nach den eigenen Wurzeln.
Schon in den vergangenen Jahren hat Richard T. Krebs viel Zeit in die Erforschung seines Stammbaums investiert. So hat er herausgefunden, dass sein Großvater Theodore aus Aschaffenburg oder Weibersbrunn stammt und 1894 in die USA immigrierte.
Auch Richard Krebs hat seinen Stammbaum väterlicherseits inzwischen bis ins Jahr 1770 zurückverfolgt. Und die Verwandtschaft? »Die lässt sich bislang nicht nachweisen«, sagt Krebs. Seine direkten Vorfahren scheinen Bischbrunn treu geblieben zu sein und kamen früher eventuell aus Heimbuchenthal. Aber das sei nur die direkte Linie, die ganzen Verästelungen des Stammbaums zu recherchieren, benötige noch viel mehr Zeit und Aufwand. Eine Möglichkeit gäbe es da noch: eine DNA-Analyse. »Wir haben drüber nachgedacht, aber ehrlich gesagt, ist mir das doch zu teuer«, sagt der Bürgermeister. Mit dem Rätsel bleibt also auch die Spannung vorerst bestehen. Aber ehrlich gesagt: Sind diese Fotos nicht Beweis genug? Bianca Löbbert
Die Großmutter von Richards Frau Kathleen, geborene Wolfe, stammte ebenfalls aus Deutschland und wanderte nach Amerika aus. Sie kommt aus Rosenberg bei Ellwangen.
Bürgermeister Richard Krebs hat inzwischen auch seinen Stammbaum bis 1770 zurückverfolgt. Er hat bisher nur Vorfahren aus Bischbrunn und Oberndorf recherchiert. Seine ältesten Vorfahren, Johannes Adam und Maria Eva, lebten Mitte des 18. Jahrhunderts in Heimbuchenthal. (bil)
Richard Krebs und seine Frau Anna beim 60. Geburtstag des Bischbrunner Bürgermeisters.
Foto: Privat
»Merry Christmas« wünschten Richard T. Krebs und seine Frau Kathleen den Deutschen zu Weihnachten 2011 und schickten dieses Foto.
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1968 bei der Bundeswehr: Richard Krebs.
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1967 bei der US Army: Richard T. Krebs.
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Der amerikanische Richard und Kathleen, geborene Wolfe, bei ihrer Hochzeit im Mai 1969.
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Auch mit Schleier: Anna und Richard Krebs bei ihrer Hochzeit im Mai 1972.
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