Main-Echo vom 6. Juni 2012

Bischbrunn meets Pennsylvania

Ahnenforschung: Bürgermeister Richard Krebs und sein Doppelgänger aus den USA begeben sich auf die Suche nach ihren Vorfahren



BISCHBRUNN   Sie leben 6480 Kilometer voneinander entfernt. Dennoch erscheint Richard T. Krebs der Main-Spessart nur allzu vertraut. »Als ich das erste Mal hier entlang fuhr, dachte ich, das sieht ja aus wie in Pennsylvania«, sagt der Amerikaner.

Vor zwei Jahren hatte der 63-Jährige seinen Doppelgänger, Bischbrunns Bürgermeister Richard Krebs, übers Internet gefunden (wir berichteten). Seit Freitag sind Richard T. Krebs und seine Frau Kathleen nun zu Besuch in Deutschland. Am Küchentisch des Bischbrunner Bürgermeisters sitzen Richard und Richard und ihre Ehefrauen Kathleen und Anna, als würden sie sich seit Jahrzehnten kennen. Man versteht sich ohne Worte und das ist auch gut so. Denn mit dem Englisch hapert es bei den Bischbrunnern und Deutsch haben die amerikanischen Freunde trotz ihrer deutschen Vorfahren nie gelernt. Für wichtige Übersetzungen ist Tochter Stefanie zur Stelle.

»Zum ersten Mal verstehe ich, was das hier alles bedeutet«, sagt Kathleen auf amerikanisch und freut sich. Am Laptop klickt sie ihre gesammelten und eingescannten Dokumente durch. Da sind Grußkarten aus einem Fotogeschäft bei Ellwangen von den deutschen Vorfahren an die nach Amerika Ausgewanderten. Da sind An- und Ummeldungen der Ahnen in den deutschen Städten oder ein sogenannter Heimatschein des Urgroßvaters Constantin, der 1843 in Oberaltenbuch geboren wurde. Richard T. Krebs' Großvater Theodore war 1894 nach Amerika ausgewandert. Als die Großeltern starben, hinterließen sie Unmengen an Fotos und Dokumenten - die Richard und Kathleen bis heute wegen der deutschen Schrift nicht wirklich verstanden. Am Montag sind zahlreiche weitere Dokumente hinzugekommen: Nach einem Besuch im Aschaffenburger Stadt- und Stiftsarchiv ist Richards Ahnenforschung einen guten Schritt weitergekommen. Jetzt kennt er noch mehr Brüder seines Großvaters und die sogenannte »zweite Linie«: Denn nach dem Tod seiner ersten Frau, hatte der Urgroßvater Constantin erneut geheiratet. Viele Spuren zum Verfolgen. »Das werde ich tun, wenn wir wieder in Amerika sind«, sagt Richard T. Krebs.

Haus des Urgroßvaters besichtigt

Zuvor steht aber in den kommenden Tagen noch ein straffes Programm auf dem Plan. Der Empfang, den ihm die Bischbrunner am Samstag bereitet haben, hat den Amerikaner einfach überwältigt. »Nach der Geburt unserer Söhne und des Enkels war das der schönste Tag in meinem Leben«, sagt er. Einen weiteren Höhepunkt erlebten die Amerikaner auf Ahnensuche am Montag in Aschaffenburg. Dort besichtigten sie das Haus des Urgroßvaters, in dem Großvater Theodore geboren wurde. Wie es der Zufall will, soll das Anwesen in der Aschaffstraße 10 in vier Wochen abgerissen werden.

Der letzte verbliebene Bewohner öffnete für die amerikanischen und Bischbrunner Besucher die Türen und zeigte ihnen das Haus. »Das war eine einzigartige Erfahrung. Wäre ich etwas später nach Deutschland gekommen, hätte ich es nie gesehen«, sagt Richard T. Krebs. Auch der Bischbrunner Bürgermeister hat seinen Familienstammbaum inzwischen bis ins Jahr 1700 zurückverfolgt. Eine direkte Verbindung der beiden Richards, die sich wie Zwillinge gleichen, haben aber auch die neuen Erkenntnisse nicht gebracht. »Wir haben eine große Seelenverwandtschaft und denselben Humor. Da macht es nichts, wenn wir noch etwas im Ungewissen leben«, sagt der Bischbrunner. 500 Euro pro Person für eine DNA-Analyse: das sei dann doch ein bisschen viel.

Weiterforschen wollen beide aber trotzdem. Und das ist nicht nur Richard T.'s Perfektionismus geschuldet. Eine Eigenschaft, über die seine amerikanischen Freunde gerne Witze machen. »Ich glaube, das ist etwas typisch Deutsches tief in mir«, sagt der Amerikaner, der sich auch mit seiner Pünktlichkeit rühmt. Wahrscheinlich habe sie dieses Erbe auch im Ruhestand nach Pennsylvania geführt - während andere Rentner eher südlichen Staaten wie Florida bevorzugen. In Pennsylvania fühlen sich Richard und Kathleen Krebs wohl, schließlich sehe es dort fast so aus wie in der Heimat ihrer Vorfahren.   bil



Auf Spurensuche: Anna und Richard, Richard T. und Kathleen Krebs (v. links).
Foto: Bianca Löbbert