Main-Echo vom 3. Oktober 2013

»Er war ein Phänomen«

Jahrestag: Eberhard Sinner und Richard Krebs erinnern sich zum 25. Todestag an Erlebnisse mit Franz Josef Strauß



Main-Spessart   Kaum ein Politiker in Deutschland hat im 20. Jahrhundert mehr polarisiert als Franz Josef Strauß. Heute jährt sich zum 25. Mal der Todestag des Bayerischen Ministerpräsidenten. Eberhard Sinner und Richard Krebs, zwei langjährige Weggefährten, erinnern sich und verweisen auf Spuren in Europa und der Welt.

Richard Krebs ist Bürgermeister in Bischbrunn und war Geschäftsführer der CSU. Er erinnert sich an den Kreuther Trennungsbeschluss vom November 1976 im Bildungszentrum der Hanns-Seidel-Stiftung in Wildbad-Kreuth. Nach der Bundestagswahl 1976, die die Unionsparteien knapp verloren hatten, war eine Abspaltung von der CDU und eine Etablierung als vierte Partei das offizielle Ziel. »Es war richtig Feuer unter dem Dach, die CSU Main-Spessart war gegen den Beschluss«, erinnert sich Richard Krebs. »Als einer von zwei Bezirksverbänden«, wie er ergänzt. Ein dritter habe zur Einberufung eines Sonderparteitages gefehlt. Darauf hatte Franz Josef Strauß den Bezirksvorstand zu einer Aussprache nach München eingeladen. Zu einem Treffen im Paulaner Hochhaus reisten damals viele Delegierte. Darunter der stellvertretende Landrat Niko Versch, wie sich Krebs erinnert. Als junger Kerl von 28 Jahren habe er dann voller Ehrfurcht bei dem Treffen ganz am Rande gesessen. Bis schließlich Franz Josef Strauß den Saal betrat und sich an den freien Tisch neben ihn gesetzt hatte. »Man hat mein Herz sicher klopfen hören«, sagt Richard Krebs noch heute tief beeindruckt. Bei aller Beharrlichkeit und Konsequenz habe Strauß dann signalisiert, nicht auf den Trennungsbeschluss zu bestehen. »Am Ende stand Friede, Freude, Eierkuchen und die Kanzlerkandidatur von Strauß 1980«, so Richard Krebs. Er erinnert sich an flammende Reden, die selten unter drei Stunden abgingen.

Am anderen Tag fit Auf einem Parteitag in München sei Strauß von den Medien belagert gewesen. »Jeder Schluck und jeder Bissen wurde aufgenommen und gefilmt«, sagt Richard Krebs. Dabei habe sich der Ministerpräsident nicht sonderlich darum gekümmert und weiter den weltlichen Gelüsten gefrönt. Zu einer kurzen Unterhaltung mit dem nicht mehr nüchternen Strauß sei es dann gekommen, »wo auch der Kaiser zu Fuß hingeht«. »Er war ein Phänomen und hat seine Widersacher regelmäßig unter den Tisch getrunken«, so Richard Krebs. Am andern Tag sei er aber wieder fit gewesen. Auch bei Eberhard Sinner hat »FJS« einen außerordentlich trinkfesten Eindruck hinterlassen. Sinner steuert zu diesem bekannten Bild von Strauß aber auch einige Szenen bei, die bislang weniger bekannt sind. Der ehemalige Staatsminister kreuzte den Weg von Franz Josef Strauß öfter von 1974 bis zu dessen Tod 1988. Zunächst war Sinner in der Bayerischen Landesvertretung in Bonn, später in der Staatskanzlei in München. In seinen verschiedenen Positionen und Ämtern trifft er noch heute auf der ganzen Welt auf Spuren von Franz Josef Strauß. Sinner nennt ihn einen »Weltpolitiker und großen Visionär«. Vor kurzem war Eberhard Sinner in Wolgograd, dem ehemaligen Stalingrad. »Strauß hat Stalingrad erlebt, wollte immer, dass sich so etwas nie wiederholt«, sagt Sinner. Auf seiner Reise habe er auch einen Beteiligten getroffen, der am 28. Dezember 1987 beim legendären Flug von Franz Josef Strauß nach Moskau dabei gewesen war. Im dichten Schneetreiben landete Hobby-Pilot damals auf dem gesperrten Flughafen in Moskau. Mit dabei waren Sohn Franz-Georg, Theo Waigel, Edmund Stoiber, Gerold Tandler und Wilfried Scharnagl. Tief beeindruckt seien die Russen damals gewesen. Dabei sei es keine Selbstverständlichkeit gewesen, mit dem Ministerpräsidenten eines Bundeslandes überhaupt zu sprechen. »Als Dank hat Strauß ihnen dann erklärt, warum man im Kommunismus keine Marktwirtschaft einführen kann«, so Sinner. Mit »Schneebälle rösten« habe er das damals verglichen.

Auszeit im Kloster In Bulgarien habe Franz-Josef Strauß dem Parlament unverblümt erklärt, dass der Kommunismus nichts tauge. Entrüstet habe das Parlament die Gespräche abgebrochen, Strauß sei zum Jagen gegangen. »Wenige Tage später nahm die Regierung die Gespräche wieder auf und gab Strauß recht«, berichtet Sinner. Der Grund sei einfach gewesen: »Bulgarien war pleite«. Generell seien viele Jagdreisen in den ehemaligen Ostblock stets getarnte politische Reisen gewesen, wie Sinner hinzufügt. Bei Sinners letztem Besuch in Bulgarien habe er auch ein Kloster besucht. In diesem habe er dann im Gästebuch einen Eintrag von Strauß gefunden. »Hier hat er sich nach dem Tod seiner Frau Marianne 1984 eine Auszeit gegönnt«, erzählt Eberhard Sinner.   Steffen Schreck



Vor 25 Jahren starb Franz Josef Strauß.
Archivfoto von 1988: imago/teutopress


Hintergrund: Franz Josef Strauß

Franz Josef Strauß wurde am 6. September 1915 in München geboren. Er legte 1935 das seit 1910 beste Abitur in ganz Bayern ab. Nachdem er zweimal wegen seines Studiums zurück gestellt worden war, nahm er ab 1940 am zweiten Weltkrieg teil. Nach kurzer Kriegsgefangenschaft 1945/46 wurde er von der amerikanischen Besatzungsmacht als stellvertretender Landrat des Landkreises Schongau eingesetzt. Ab 1949 gehörte er dem Deutschen Bundestag bis 1978 an und erneut 1987. Er war Bundesminister in den verschiedensten Aufgaben. Von 1978 bis zu seinem Tod am 3. Oktober 1988 war er Bayerischer Ministerpräsident. (Steffen Schreck)