Main-Post vom 26. Mai 1999

Eindrücke des "Hinterbänklers" Richard Krebs bei der Bundespräsidentenwahl

Ein Pläuschchen mit Schröder

BISCHBRUNN/BERLIN
Im "Konzert der Großkopferten" fühlte sich Richard Krebs pudelwohl, wie sich die Zuschauer der ARD-Live-Berichterstattung überzeugen konnten.

Nicht bei seinen Gesprächen mit der CDU/CSU-Kandidatin Dagmar Schipanski, Altkanzler Helmut Kohl, CDU-Vorsitzendem Wolfgang Schäuble, Ministerpräsident Edmund Stoiber, Kaiserslautern-Trainer Otto Rehhagel, DFB-Vizepräsident Gerhard Mayer-Vorfelder, 1860-Präsident Karl-Heinz Wildmoser oder Werder-Bremen-Manager Willy Lemke war der Bischbrunner Kommunalpolitiker am Bildschirm zu sehen, sondern ausgerechnet beim "Fremdgehen", als er ein kurzes Pläuschchen mit dem "roten" Bundeskanzler Gerhard Schröder führte.
Richard Krebs schildert dieser Zeitung seine Berliner Erlebnisses als "Wahlmann Nr. 326" in der 11.Bundesversammlung:
Vor der Sitzung der CDU/CSU- Fraktion am Vortag der Wahl im Reichstag traf er mit dem Wernecker Altbürgermeister und stellvertretenden Landrat Rudolf Reith einen "Verbündeten". Sie wurden zu einem "starken Team".
Noch bevor Wolfgang Schäuble für die CDU und Ministerpräsident Edmund Stoiber für die CSU die Fraktionssitzung eröffneten, gab es erste Autogramme und ein Erinnerungsfoto mit dem "Ehrenbürger Europas", Altkanzler Helmut Kohl.
Beim Verlassen des Reichtagsgebäudes traf der Bischbrunner Bürgermeister die Elsenfelder SPD-Bundestagsabgeordnete Heidi Wright und versuchte sie - allerdings erfolglos - zur Wahl von Dagmar Schipanski nach dem Motto "Frauen wählen Frauen" umzustimmen. Draußen, vor dem Reichstag warteten bereits mehrere hundert Menschen. Es war schon ein besonderes Gefühl, ausgerüstet mit Wahlmann-Ausweis und Aktentasche - wie ein Großer - durch das Spalier der Menschenmassen zu schreiten", schildert Krebs seine erhebenden Erlebnisse.
Am nächsten Morgen nach dem gemeinsamen Gottesdienst in der Hedwigs-Kathedrale warteten schon Busse für den Transfer zum Reichstag. Aber wie angekündigt ließ sich der Wahlmann mit der Ausweis-Nummer 326, Richard Krebs, zusammen mit seinem Kollegen Reith im Privat-PKW von Tochter Alexandra am Reichstag vorfahren. Ein spezieller Ausweis öffnete auch für die Offentichkeit gesperrte Straßen.
Frühzeitig angekommen, wurden zuerst die aufgetragenen Postgeschäfte im Sonderpostamt erledigt. Dort traf Krebs gleich den ehemaligen Bundespostminister und Bundestagsabgeordneten Richard Stücklen, der als einziger an allen elf Bundesversammlungen seit 1949 teilgenommen hat. Bereitwillig leistete das 82jährige "Urgestein" der CSU so etwa 20 Unterschriften - die Empfänger-/innen werden es hoffentlich zu schätzen wissen. Dazu gab es natürlich Sonderstempel und Sonderbriefmarken.
Die Zeit zwischen Stimmabgabe und Stimmenauszählen wurde im Reichstag eifrig genutzt, um Gespräche zu führen, Kontakte zu knüpfen oder zu vertiefen, Bilder zu "schießen" und Autogramme zu sammeln. Bereitwillig standen die Großen und Kleinen für alles zur Verfügung. Als Richard Krebs bei Ex-Kanzler Helmut Kohl und Theo Waigel gleich rund 20 Autogramme für Postkarten und Ersttagsbriefe erbat, gab es natürlich auch interessante Bemerkungen, so zum Beispiel von Kohl mit Blick auf die Adressen: "Sie schreiben ja die halbe Gemeinde an". Theo Waigel fragte beim Blick auf die Anschrift von CSU-MdL Eberhard Sinner, ob er auch eine Bemerkung machen dürfe und schrieb dann "mit Erlaubnis" und Hinblick auf dessen Kampf um "Carmen" in Rimpar: "Mach weiter so .

Zwischen den Wahlgängen wurden viele fraktionelle und interfraktionelle Gespräche geführt und manche Chancen genutzt, so Krebs. (Siehe langer Kasten links) Nach einem Gespräch mit den beiden Vogel-Brüder standen diese ebenso für ein Erinnerungsfoto zur Verfügung, wie der Ministerpräsident des Ländle , Erwin Teufel. Auf ähnlich unkonventionelle Weise stellte Krebs zahlreiche Kontakte her und als ihm dann Bundeskanzler Dr. Gerhard Schröder über den Weg lief, stellte er selbst kurz entschlossen alle Parteiräson zurück und sprach den Kanzler an. Selbst auf das Bekenntnis, daß er (Krebs) ein tiefschwarzer Wahlmann sei, stellte sich Schröder für ein Erinnerungsfoto mit dem Hinweis:"Das macht doch nichts".

Als Bürgermeister Richard Krebs am Pfingstmontag um 8 Uhr im Bett über einen Anruf seines Stellvertreters Franz Väth erfuhr, daß ausgerechnet diese Szene über die ARD live im Fernsehen übertragen wurde, hatte er ein "schlechtes Gewissen" und wollte sich fast nicht mehr nach Hause trauen. Ausgerechnet er, der "schwarze Krebs mit dem roten Kanzler" im Fernsehen!
Als nach dem ersten Wahlgang sowohl Dagmar Schipanski für die CDU/CSU, als auch Uta Ranke-Heinemann mehr Stimmen und Johannes Rau weniger Stimmen erhalten hatten, als rein rechnerisch zu erwarten waren, gab es vorübergehend Hoffnung auf eine Sensation im Unionslager für den zweiten oder dritten Wahlgang. Doch die war schnell vorbei. Nach einer Sitzungsunterbrechung und neuerlicher Fraktionssitzung gab es erneut einen namentlichen Aufruf zur Stimmabgabe.
Die Wahl war nach dem zweiten Durchgang entschieden, Johannes Rau zum achten Bundespräsidenten gewählt. Jubel im rot-grünen und teilweise im gelben Lager; gedrückte Stimmung bei der Union. So war mit Richard Krebs auch ein "Kleiner" im Konzert der Großen dabei und hat viele unvergeßliche Erlebnisse mit nach Hause genommen. Trotz Niederlage war Richard Krebs mächtig stolz, einmal dabei gewesen zu sein und sagt einfach "Danke" für dieses Geburtstagsgeschenk, das ihm die CSU zu seinem 50.Geburtstag im Dezember1998 gemacht hatte.